POTENTIAL SPACE MODELS (PSM)


since 2024
each 360x360x360mm


In der mittlerweile zehn Einzelwerke umfassenden Serie Potential Space Models nähert sich Benedikt Flückiger dem Spannungsfeld von Raum und Material auf eine neue und vielschichtige Art und Weise an. Die kleinformatigen Holzkuben mit den Maßen 360x360x360 mm sind teils an einer, teils zu mehreren Seiten durchbrochen und lassen unterschiedliche Blickachsen auf den Innenraum zu. Um das Innere zu entdecken, muss sich die betrachtende Person um das Objekt bewegen, die Perspektiven wechseln und mit dem eigenen Körper reagieren. Anknüpfend an historische und museale Präsentationsformen lotet der Künstler hier das Spiel mit Dimension und Narration aus. Der Größenunterschied von Betrachter*in zum Werk lässt einen spielerischen Moment mit Puppenhaus-Charakter entstehen, zugleich erinnert die Kulisse an eine skurrile Alice-im-Wunderland-Szenerie. Ergänzt wird diese Mehrschichtigkeit durch den voyeuristischen Blick von außen, das Spähen in vermeintlich private Räume, das wesentlich durch den Maßstab beeinflusst wird.

Die Miniaturräume sind im Inneren abstrakt und gänzlich unbelebt, einer Kulisse oder formalen Interieur-Studie gleich. Unterschiedlichstes Material trifft hier auf Form und Farbe - in einem Dialog aus Zufall und Präzision.
Während die ersten Mikrokosmen von Flückiger sich an die Idee und Konstruktion von Filmausstattungen anlehnen und klare Science-Fiction-Elemente aufweisen, entstehen die neueren Werke der 2024 beginnenden Serie im Wechselspiel von Material, Form und Zufall. Die Innenleben wirken dabei befremdlich und dennoch vertraut. In manchen Modellen dominieren abstrakt geometrische, in anderen wiederum organische Formen. Immer wieder stößt man auf alltägliche Werkstoffe. So werden beispielsweise Sprungfedern, Ringe, Gitter, Kanthölzer oder Metalldübel ihrem üblichen Wirkungsraum entnommen und in einen neuen Kontext übertragen. Hier existieren sie als Teil eines Interieurs, dessen Funktion unklar bleibt und sich keiner Erklärung verpflichtet.

Bereits in frühen Werken wie Zelle (2015), Bobbies (2017) oder Pancake (2017) arbeitet der Künstler mit Recyclingmaterialien. In einem ebenso langwierigen wie sensiblen Prozess der Materialforschung filtert er die Essenz eines Mediums - in jenem Fall überholte Technologien wie Magnetbänder - und entwickelt eigene Narrative, die neben einer bestechend minimalistischen Raumästhetik komplexe gesellschaftliche Themen wie den technologischen Fortschritt und die Schnelllebigkeit des Alltags mit einer individuellen Erfahrung verbinden.

Mit den Potential Space Models führt Flückiger diese Praxis fort und widmet seine aktuelle Analyse dem Kunstsektor. Der studierte Künstler und ausgebildete Handwerker verdient sein Einkommen unter anderem als freiberuflicher Art handler, namhafte Institutionen gehören zu seinen Auftraggebenden. Nach Ablauf einer Laufzeit werden die individuell gefertigten Ausstellungsdisplays in der Regel abgerissen und entsorgt, darunter auch Bestandteile von Installationen sowie teils vollständige Kunstwerke. Dieses Material bildet die Grundlage für Flückigers Miniaturräume.

Was zuvor Teil einer anderen Arbeit war oder als Präsentationsfläche diente, wird nun zum autonomen Werk, das Fragen von Herkunft, Funktion und Hierarchie neu verhandelt. In diesem Sinne erinnert Flückigers künstlerische Praxis an Marshall McLuhans Einsicht ‚The medium is the message‘: Die Materialien funktionieren nicht nur als Bedeutungsträger, sondern werden selbst zur Botschaft. Der Künstler kreiert damit bewusst einen Schwellenraum, der die Grenzen zwischen Kunst und Handwerk, Setting und Raum sowie Konstruktion und Kommentar offenlässt.
Flückigers jüngste Serie lässt zahlreiche Lesarten zu: als spielerische Versuchsanordnung, als Materialexperiment oder als handwerklich präzise Umsetzung. Zugleich kann sein Werk als leise, aber deutliche Kritik an strukturellen Mechanismen im Kunstbetrieb verstanden werden - am Umgang mit Ressourcen, an ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen, an Hierarchien und Fragen von Sichtbarkeit und Autor*innenschaft.

Letztlich zielen die kleinteilig komponierten Mikrokosmen nicht auf Auflösung ab, sondern auf Assoziation. Sie erzählen von einem Zustand zwischen Konstruktion und Interpretation - im Heute oder in einer spekulativen Zukunft - und entziehen sich jeder Eindeutigkeit.



Text: Jana Mareike Lehnert

PSM 001/01_14-24


2024
MDF, steel, acrylic, lacquer, wood



Fig. 1 exterior view








Fig. 2 interior view

Fig. 3 interior view




PSM 002/01_11-24


2024
MDF, aluminium, acrylic mirror, lacquer



Fig. 4 exterior view
Fig. 5 interior view


Fig. 6 interior view


PSM 003/01_16-24


2024
MDF, steel, aluminium, transparency film, rivets 


Fig. 7 exterior view



Fig. 8 exterior view 



PSM 004/01_20-24


2024
MDF, copper, acrylic, lacquer, wood



Fig. 9 exterior view

Fig. 10 interior view


PSM 005/01_26-24


2024
MDF, stainless steel, steel, acrylic, lacquer, aluminium sheet



Fig. 12 exterior view
Fig. 13 interior view
Fig. 14 interior view



PSM 006/02_16-24


2024
Plywood, aluminium, steel, pvc, wood, lacquer



Fig. 15 exterior view

Fig. 16 interior view

Fig. 17 interior view


PSM 007/01_22-25


2025
MDF, steel, foam, wood, lacquer



Fig. 18 exterior view

Fig. 19 interior view


PSM 008/01_36-25


2025
MDF, aluminium, steel, stainless steel, brass, pvc, wood, lacquer



Fig. 20 exterior view

Fig. 21 interior view


PSM 009/01_13-25


2024
MDF, steel, acrylic, lacquer, wood



Fig. 22 exterior view
Fig. 23 interior view
Fig. 24 interior view